Adventskalender mit Schokoladenfüllung: Mineralöl in Schokolade – Unseriöse Panikmache der Stiftung Warentest


[Stiftung Warentest: „Advents­kalender mit Schoko­laden­füllung“]
Die von der Stiftung diskreditierten Produkte sind sicher und verkehrsfähig. Die toxikologische Bewertung der von der Stiftung durchgeführten Analytik entspricht nicht dem aktuellen Wissensstand.
Laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR, Stellungnahme Nr. 008/2010) sind die Mineralölfraktionen MOSH und MOAH derzeit noch nicht ausreichend charakterisiert. Des Weiteren existieren keine toxikologisch relevanten Leitsubstanzen. Aus diesen Gründen ist laut BfR bislang keine Risikoabschätzung möglich und auch kein spezifischer toxikologischer
Grenzwert für Mineralöle in Lebensmittelkontaktmaterialien ableitbar.
Des Weiteren existiert bislang keine validierte Methode zur Bestimmung von Mineralöl in Papier und Lebensmitteln. Die Stiftung Warentest ignoriert wissentlich oder fahrlässig, dass MOSH nicht im Hauptfokus des Assessments der Mineralöle stehen. Neue Daten weisen darauf hin, dass die für Ratten aufgezeigten toxikologischen Befunde nicht für den Menschen relevant sind (EFSA Journal 2012;10(6):2704). Für Mineralöle der MOSH-Fraktion wurde zwar aufgrund von Tierstudien (Ratten) eine Bioakkumulation im menschlichen Gewebe (Leber, Lymphknoten) vermutet. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sprach sich aber bereits im April 2011 (7. Sitzung der BfR-Kommission für Bedarfsgegenstände) für eine tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (acceptable daily intake, ADI) von 12 mg für die MOSH-Fraktion mit einer Kohlenstoffanzahl von C10 – C16 aus. Das BfR erwähnt dabei auch, dass – falls sich aus den oben erwähnten Rattenstudien keine Relevanz für Menschen ableiten ließe – der ADI auch mit 60 mg definiert werden könne.
Laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) finden sich niedrige MOSH-Konzentrationen in allen Lebensmittelgruppen. Die von der EFSA geschätzten MOSH-Aufnahmemengen liegen zwischen 0,03 bis 0,3 mg/kg Körpergewicht pro Tag. Für einen Verbraucher mit einem Gewicht von 60 kg liegt die MOSH-Aufnahme somit im Bereich von 1,8 – 18 mg pro Tag. Somit liegt die Aufnahme weit unter dem vom BfR postulierten ADI-Wert für die oben genannte MOSH-Fraktion.
Diese Erkenntnisse sind der wesentliche Grund dafür, dass das BMELV davon Abstand nahm, die Aufnahme von MOSH gesetzlich in Form der BedarfsgegenständeVO zu regeln (überholt ist daher der Entwurf der 22.  Verordnung zur Änderung der Bedarfsgegenständeverordnung, Stand: 02.05.2011).
Die analytische Bestimmung der MOSH-Fraktion gestaltet sich derzeit schwierig, da andere mit MOSH verwandte Verbindungen bei derzeitig angewendeten analytischen Verfahren automatisch mit erfasst werden. Eine analytische Unterscheidung der MOSH-Fraktion von z.B. POSH (Polyolefin Oligomeric Satured Hydrocarbons; freigesetzt aus Kunsttoffen) oder PAO (Poly-Alpha-Olefine; weitere Verbindungsklasse, die der MOSH-Fraktion ähnelt) ist derzeit nicht möglich (BfR: „Bestimmung von Kohlenwasserstoffen aus Mineralöl – MOSH und MOAH – oder Kunststoffen – POSH, PAO – in Verpackungsmaterialien und trockenen Lebensmitteln mittels Festphasenextraktion und GC-FID“).
Die Stiftung Warentest ignorierte diese Fakten und analysierte die Schokolade auf das Gemisch der Verbindungen MOSH, POSH und PAO. , wissend dass weder POSH noch PAO bislang toxikologisch bewertet wurden. Somit entbehrt auch die Bewertung der untersuchten Produkte auf Basis der von Stiftung Warentest genutzten unspezifischen Analytik jeder wissenschaftlichen Grundlage.
Bei Verzehr eines Schokoladenstückchens von ca. 3  g der von Stiftung Warentest eingestuften „stark“ MOSH-belasteten Adventskalender ergäbe sich – selbst bei der fälschlichen Voraussetzung der Gesamtbetrachtung von MOSH, POSH und PAO – eine Aufnahme von lediglich 0,03  mg MOSH pro Tag. Diese Aufnahmemengen sind im Vergleich zu den von der EFSA festgestellten Verzehrmengen nur ein sehr geringer zusätzlicher und sicherheitsrechtlich nicht relevanter Anteil.
Bezüglich der aromatischen gesättigten Kohlenwasserstoffe (MOAH) kann ein mögliches krebserzeugendes Potential zwar nicht ausgeschlossen werden. Wichtig ist aber diesbezüglich anzumerken, dass die EFSA Anfang des Jahres 2012 aufgrund unzureichender Daten zu Exposition und Toxikologie nicht in der Lage war, dieses potentielle Risiko bzgl. MOAH quantitativ zu beschreiben. Auf der Grundlage eines solch unzureichenden bzw. noch nicht abgeschlossenen Assessment ist es unseriös, daraus (Rechts-) Folgen abzuleiten, wie es die Stiftung Warentest tut.
Laut BfR ergibt sich bei den von Stiftung Warentest in den Adventskalendern ermittelten höchsten Gehalten von angeblich 7  mg MOAH pro kg Schokolade ein Gehalt von lediglich 0,022 mg MOAH pro Schokoladeteilchen. Aus diesem Gehalt ergibt sich unter der Annahme des Verzehrs von einem Schokoladenteilchen pro Tag nur ein sehr geringer zusätzlicher Anteil zu der von der EFSA (2012) abgeschätzten täglichen Aufnahme von MOAH über die Nahrung.

Dr. Uta Verbeek (meyer.science) &
Prof. Dr. Alfred Hagen Meyer (meyer.rechtsanwälte)

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